Dienstag, 18. Februar 2020

Finca & Nicky Jam Konzert

Finca - Kakaoplantage und Baden im Fluss

Das erste Dezemberwochenende verbrachten wir auf der Finca der Fundación Cristo de la Calle. Wir fuhren also am Samstag gegen Mittag mit dem Chef unserer Arbeitsstelle zwei Stunden bis wir bei der Finca in der Nähe von Lita ankamen. Mich hat es total fasziniert wie man nach nur zwei Stunden Fahrt in einem klimatisch komplett anderen Gebiet sein kann. Da Lita mehr als 1.500m tiefer liegt als Ibarra, war es dort natürlich deutlich wärmer. Plötzlich befanden wir uns nicht mehr im Hochland, sondern in den Subtropen mit einer jährlichen Durchschnittstemperatur von 25°C.
Als wir ankamen, schauten wir uns zuerst die kleine Hütte (Bilder 1-4) an, in der geschlafen und gekocht wird. Danach ging es in den Hühnerstall (Bild 5). Nachdem wir uns ein bisschen akklimatisiert haben, ging es dann zu den Kakaoplantagen, die auf nur 700m Höhe liegen. Durch das subtropische Klima fiel das Laufen hier aber schon deutlich schwieriger. Auf dem Weg dorthin kamen wir an den finca-eigenen Pferden und Kühen vorbei (Bilder 6-13). Völlig verschwitzt landeten wir dann schließlich auf einer scheinbar unendlich großen Plantage voller Kakaobohnen. Wir stapften ein bisschen hinein und bestaunten diese unglaublich schöne Landschaft (Bilder 14-16). Nachdem uns ein bisschen was über die verschiedenen Kakaobohnen und deren Verarbeitung erzählt wurde, öffneten wir auch eine und snackten diese auf dem Rückweg (Bild 17).
Nach dem Abendessen machte sich unser Chef wieder auf dem Weg nach Ibarra und wir saßen noch ein bisschen gemütlich mit den Arbeitern der Finca zusammen und tanzten Salsa. Bei einem nächtlichen Lagerfeuer wurden mir dann auch noch Braids gemacht (Bilder 18 und 19).

Nach einer ruhigen Nacht trotz lauten Tiergeräuschen und Fenstern ohne Glas, gab es venezuelanische arepas zum Frühstück (Bild 20). Anschließend ging es in Badesachen zum Fluss nebenan (Bilder 21-23, Video 1). Das Wasser war kalt und der Boden steinig, aber trotzdem war es unglaublich schön und die Aussicht einfach mega. Es war schon ein sehr besonderes Gefühl am ersten Dezember mit strahlendem Sonnenschein in einem Fluss zu baden. Macht man auf jeden Fall nicht alle Tage.
Nach einer schnellen Dusche ging es dann im Bus zurück nach Ibarra und abends bestaunten wir noch den wunderschönen Sonnenuntergang von unserer Terrasse aus (Bilder 24-26).





























Fería de Quito - Nicky Jam Konzert

Am Wochenende darauf ging es für uns wieder einmal nach Quito unsere Mitfreiwilligen besuchen. Diese erzählten von den Aktivitäten und vor allem Konzerten, bei denen sie aufgrund der derzeitigen fería schon waren und wir tauschten generell mal wieder Neuigkeiten aus. Nach dem Empanadas essen im Regen machten wir uns ewig lang mit verschiedenen Bussen und Metros nach Quitumbre zum Konzert auf. Am Anfang traten viele Künstler auf, die zwar in Ecuador relativ bekannt waren aber die wir nicht kannten (Videos 2-4). Trotzdem war die Musik sehr schön und man konnte gut zuhören. Vor allem die Musik von Arevalo (Video 5) fanden wir besonders schön und so lernten wir auch noch viele, für uns neue, Sänger und Lieder kennen. Zwischendrin hat es dann immer mal wieder ein bisschen geregnet (Bild 27). Das störenste daran war aber nicht der Regen an sich, sondern die tausenden Regenschirme die einem dann die Sicht versperrten. Als dann aber Nicky Jam  (Videos 6-10) als Höhepunkt des Abends auftrat, regnete es zum Glück kaum noch und es hat wieder angefangen richtig Spaß zu machen, unter anderem auch weil wir jetzt mitsingen konnten. Alles in allem also ein sehr schöner Abend! (Bilder 28 und 29)





















Dienstag, 11. Februar 2020

Fería de Ibarra & Unruhen

Fería de Ibarra

Die Gründungs- und Unabhängigkeitstage jeder Stadt sind in der jeweiligen Stadt Feiertage und werden in Ecuador sehr groß und über mehrere Wochen mit Konzerten und sonstigen Akttraktionen gefeiert. Die Unabhängigkeitstage von Quito, Cuenca und Guayaquil sind sogar nationale Feiertage.
Am 28. September wurde dann die Gründung unserer derzeitigen Heimat gefeiert: 413 Jahre Ibarra. Schon eine Woche vorher begannen die Feierlichkeiten mit einem Straßenumzug durch die ganze Stadt. Anfangs war ich sehr traurig, weil ich an diesem Tag Spätschicht hatte und somit nicht mit meinen Mitfreiwiligen zuschauen konnte, ich hatte aber die Hoffnung, dass wir vielleicht mit der Arbeit dorthin gehen und ich zumindest ein bisschen etwas von der Parade sehen würde, denn bei den nächsten Gründungsfeierlichkeiten nächstes Jahr bin ich schon nicht mehr da und es ist schließlich mein derzeitiger Wohnort.
Schon auf dem Weg zur Arbeit sah ich wie die Paradewägen aufgebaut wurden und kurz nach 16 Uhr beschlossen wir doch tatsächlich mit sechs Kindern zum Umzug zu laufen, worüber ich mich mega gefreut habe. Auf dem Weg zum Beginn der Parade sahen wir schon viele verkleidete Menschen, Wägen die heran geschoben wurden und Menschen auf Stelzen. Gute 1,5 Stunden schauten wir uns das Spektakel von verschiedensten traditionellen Tänzen aus den unterschiedlichsten Regionen, Menschen mit Handpuppen oder verkleidet, Wägen und Prinzessinnen an (Bilder 1-7, Videos 1-5). Dann fing es plötzlich sehr stark das Regnen an und wir stellten uns erst kurz bei einem Friseur unter bevor wir uns dann bei immer stärker werdendem Regen auf dem Heimweg machten.

Eine Woche später, ging ich dann zu meinem allerersten Konzert. An einem Park waren mehrere Bühnen aufgebaut und es gab viele Essensstände. Erst waren wir bei einem Popkonzert und gingen dann noch zu einer Bühne mit Elektromusik. Um Mitternacht ging es dann kurz nach Hause um die Taschen für den Strand mitzunehmen und kurze Zeit später ging es mit dem Nachtbus voller Kinder an den Strand (siehe Blogpost Oktober: Mindo & Mompiche). Da wir das Wochenende dann weg waren, haben wir leider keine weiteren Konzerte oder sonstige Veranstaltungen mehr mitbekommen.

Anfang Oktober gingen dann die Unruhen und Streiks in ganz Ecuador los, weshalb die meisten anderen Veranstaltungen abgesagt wurden. Nur das berühmte Pferderennen wurde erst auf Mitte Oktober verschoben und fand dann Anfang November statt. Diese Cacería del zorro, wie das Rennen genannt wird ist ein international bekanntes Pferderennen, das es schon seit 1972 gibt. Dieses Jahr gab es 700 Teilnehmer aus ganz Ecuador und den umliegenden Ländern, die sich extra für dieses Rennen Pferde aus der ganzen Welt gekauft haben, was die Wichtigkeit dieses Rennens noch einmal ganz gut verdeutlicht. Wäre das Rennen nicht so weit verschoben worden, hätte Ibarra außerdem mit mehr Touristen als Einwohnern rechnen müssen.
Mittags gab es einen Umzug aller teilnehmenden Pferde durch die Straßen, den wir uns ziemlich lange anschauten. In den folgenden zwei Stunden bestaunten wir also alle möglichen Pferderassen, teils sehr hübsch hergerichtet mit ihren ebenfalls schön herausgeputzten Reitern, die teilweise sogar auch ein paar Kunststücke zeigten. Sehr groß gefeiert wurde der sogenannte Zorro, also das Gewinnerpferd des letzten Rennens (Bilder 8-12, Videos 6 und 7).
Ein paar Stunden später fuhren wir mit dem Bus zum Yahuarcocha, einer Lagune im Osten Ibarras, wo das Rennen dann stattfinden sollte. Da wir keinen Eintritt zahlen wollten, kletterten wir auf einen kleinen Berg nebenan und schauten uns mit ein paar genauso schlauen Menschen das Rennen von dort aus an. Die letzten Runden, die wir von dort aus noch mitbekamen, sahen aber sehr brutal und alles andere als spaßig für die Pferde aus (Bild 13).























Paro - Unruhen und Streiks

Wie wahrscheinlich einige von euch mitbekommen haben, gab es in Ecuador Anfang Oktober viele Unruhen auf den Straßen (hierzulande wird das Thema als paro, zu deutsch Stillstand oder Streik, bezeichnet) , aber was ist da eigentlich genau passiert?

Durch die Streichung von Subventionen sind die Treibstoffpreise stark angestiegen. Die Maßnahme ist Teil von Strukturreformen, zu deren Umsetzung sich die Regierung für einen Kredit des Internationalen Währungsfonds von 4,2 Milliarden Dollar verpflichtet hat. Durch diese teils um mehr als 120 Prozent angestiegenen Benzin- und Dieselpreise, kam es zu großer Unzufriedenheit in der indigenen Bevölkerung. Diese machen rund ein Viertel der Einwohner des Landes aus und waren durch ihre Arbeit in der Landwirtschaft und ihre Abhängigkeit auf Fahrzeuge, sehr stark von der Lahmlegung der Wirtschaft betroffen. In der Nacht vom dritten auf den vierten Oktober kam es zu Protesten mit heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Es wurden Straßen-Barrikaden errichtet und die Polizei setzte Tränengas ein. Deshalb rief der Staatschef Lenín Moreno den Ausnahmezustand für 60 Tage aus. In dieser Zeit wurde das Militär an zentralen Verkehrspunkten wie wichtigen Plätzen und Flughäfen eingesetzt. Außerdem hat Moreno um Regierungsgebäude in der Hauptstadt Quito Sperrbezirke eingerichtet. Bis zum ersten November wurde es von 20 bis 5 Uhr verboten, sich strategisch wichtigen Gebäuden zu nähern. Des Weiteren lieferten sich vor dem Parlamentsgebäude hunderte Protestierende und Sicherheitskräfte heftige Auseinandersetzungen. Maskierte und mit Stöcken bewaffnete Demonstranten warfen Steine auf die Einsatzkräfte. Der Präsident verlegte seinen Regierungssitz nach Guayaquil, um der Protestbewegung auszuweichen.
Die Proteste weiteten sich die darauffolgenden Tage immer weiter aus: Die indigene Bevölkerung fühlte sich von der Regierung vernachlässigt, auch die Studenten zieht es auf die Straßen. Kritisiert wurde auch die soziale Ungerechtigkeit. Gewalt und Vandalismus prägten zunehmend die Proteste. Insgesamt kamen sieben Menschen ums Leben und mehr als 1300 wurden verletzt.
Nach fast zwei Wochen haben sich die Regierung und die Indigenen auf ein Ende des umstrittenen Sparpakets geeinigt. Präsident Lenín Moreno versprach die als "Dekret 883" bezeichneten Sparmaßnahmen zurückzunehmen. Im Gegenzug wollte die indigene Dachorganisation CONAIE ihre Anhänger dazu aufrufen, die Proteste zu beenden und Straßenblockaden aufzulösen. Regierung und Indigene wollen nun gemeinsam an einem neuen Maßnahmenpaket arbeiten um die Einnahmen der Regierung zu erhöhen und die Ausgaben sowie Ecuadors Haushaltsdefizit und die öffentlichen Schulen zu verringern.

Was genau haben wir jetzt aber davon mitbekommen?

Am 3. Oktober ging ich mit einer Mitfreiwilligen abends noch einmal kurz raus um Essen einzukaufen. Plötzlich bemerkten wir einen kleinen Straßenbrand, dem wir uns natürlich ganz vorschriftsgemäß nicht weiter näherten. Kurze Zeit später kam uns dann aber ein Rauch/Gestank entgegen, der in den Augen brannte und im Rachen extrem weh tat, dass wir kaum atmen konnten. Wir machten uns natürlich direkt auf dem schnellsten Weg nach Hause, aber der Gestank verfolgte uns. Kaum zuhause angekommen, erhielten wir dann eine Nachricht von unserer Chefin, dass es später keinen Strom mehr geben wird. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung was eigentlich gerade abgeht und was mich die nächsten Tage so erwarten wird.
Obwohl es mir gesundheitlich nicht besonders gut ging, lief ich am nächsten Morgen trotzdem zur Sprachschule, wo die Streiks der Indigenen das Thema schlechthin waren. Mein Sprachschullehrer bat mich gut aufzupassen, wenn nötig am besten jetzt noch schnell einkaufen zu gehen und den Nachmittag zu Hause zu bleiben, weil dann die Geschäfte ausgeraubt werden und der Verkehr als Protest auf die Erhöhung der Benzinpreise komplett lahmgelegt wird.
Da ich wegen hohem Fieber, Gliederschmerzen und Magenproblemen die nächsten Tage zuhause blieb, bekam ich nicht allzu viel mit, was auf den Straßen abging, aber der Verkehr stand definitiv still. Es fuhren weder Busse noch Taxen. Unsere italienischen Mitfreiwilligen saßen in Mindo fest und viele liefen sogar von Quito nach Ibarra um in dieser Zeit bei ihren Familien zu sein. Auf dieser Strecke wurden sie aber immer wieder von hilfsbereiten Menschen mitgenommen und bekamen Unterkünfte, was finde ich auch ganz viel über die ecuadorianische Gesellschaft aussagt. Außerdem hatten die meisten Läden fast durchgehend zu und es waren kaum Leute unterwegs. Die nächsten Tage erreichte uns noch eine Nachricht unserer Chefin, dass wir möglichst viel Wasser abschöpfen sollen, da dieses wahrscheinlich auch bald abgestellt wird. Also füllten wir alle Behälter, die wir nur so finden konnten mit Wasser.
Am 8. Oktober, meinem Geburtstag, hielten die Streiks natürlich immer noch an, dafür machten wir uns einen schönen Tag zuhause. Meine Mitbewohner dekorierten alles schön und überraschten mich mit einem leckeren Frühstück (Bild 14). Danach schleppte mich eine Mitfreiwillige erst mal zum Arzt, wovon wir dann mit einem riesigen Haufen voller Medikamente zurück kamen. Danach gingen wir noch einkaufen...also wir versuchten es zumindest. Der Supermarkt war zwar offen, es sah aber so aus als wäre eine Epidemie ausgebrochen, denn fast alle Regale waren leer geplündert und ausgeräumt und es gab kaum noch Lebensmittel zu kaufen (Bilder 15-17). So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen. Also beschlossen wir auf dem Markt zu gehen, wo wir auch nur mit Mühe und Not an ein bisschen Obst und Gemüse kamen. Den Rest des Tages verbrachten wir gemütlich zu Hause. Abends kamen noch ein paar Freunde vorbei und wir ließen den Tag schön ausklingen.
Am nächsten Tag durften wir von der Ecuador Connection zu unserer eigenen Sicherheit nicht arbeiten und machten uns einen schönen Tag bei unserer Nachbarin, die mittlerweile schon eine sehr gute Freundin geworden ist. Am nächsten Tag trafen wir uns sogar zum Sleepover bei ihr. Man kann die ganzen Unruhen also auch positiv sehen: Da bei ihr die Schule für die kompletten zwei Wochen ausfiel, hatten wir viel Zeit um gemeinsam etwas zu unternehmen.
In den nächsten Tagen skypten wir mit dem Koordinator unserer Organisation, denn die Angst jetzt schon wieder nach Hause fliegen zu müssen merkte man uns allen an. Es ist ein komisches Gefühl, was ich gar nicht wirklich beschreiben kann. Ich dachte zu dieser Zeit viel über das Kofferpacken und den eventuell bevor stehenden Abschied nach und hatte dabei ein sehr mulmiges Gefühl. Zu dieser Zeit war ich noch nicht einmal zwei Monate da. Ich hatte zwar schon einiges erlebt und gesehen, aber ich wollte nicht, dass das zu diesem Zeitpunkt schon ein Ende haben sollte. Aber wir konnten nur hoffen, dass die Unruhen nicht schlimmer werden und die Situation nicht weiter eskaliert.
Am Abend bekamen wir dann mit, wie es viele Proteste und Demonstrationen gegen die, von der Regierung ausgehängte, Ausgangssperre gab. Die Leute liefen laut lärmend, auf Töpfe schlagend und schreiend durch die Straßen um zu zeigen, dass sie sich nicht unterkriegen lassen.
Nachdem es aber am 14. Oktober die Einigung zwischen Regierung und Indigenen gab, begann am nächsten Tag auch schon wieder die Schule und die ersten Busse und Taxen waren zu sehen. Obwohl ich die ständig hupenden Taxen und die umweltbelastenden Abgase der Busse nun wirklich nicht vermisst habe, war ich dennoch froh sie wieder zu sehen und zu riechen. In den nächsten Tagen kehrte in Ibarra langsam wieder der Alltag ein. Läden machten erst halbtags und schließlich auch wieder abends auf und man sah immer mehr Leute auf den Straßen.
Zuletzt möchte ich aber noch erwähnen, dass die Unruhen bei uns in Ibarra auf keinen Fall so heftig waren, wie beispielsweise in Quito, Cuenca oder Guayaquil und ich in keinem Moment Angst um mein Leben hatte. Trotzdem war es eine komische und ungewohnte Situation und wir hoffen alle, dass so etwas nicht noch einmal passieren wird und wir unseren Freiwilligendienst bis Mitte August wie geplant ausführen können.