Samstag, 14. März 2020

Zweiter Zwischenbericht


Als ich meinen Koffer für meine Reise nach Ecuador packte, stand ich, so wie wahrscheinlich die Meisten von uns, vor der großen Herausforderung, welche Klamotten ich mitnehmen sollte. Mein erster Gedanke hierbei war, dass Ecuador am Äquator liegt und es dort dann mit Sicherheit richtig warm ist, weil wo soll es wärmer sein, als am Äquator. Auf dem Vorbereitungsseminar war dann plötzlich die Rede von warmen Pullovern und Schals. Ich war verwirrt, höre aber brav auf die Tipps unserer Vorfreiwilligen, denn wer, wenn nicht sie, wissen was man am besten einpackt. Und siehe da, jetzt nach fast 6 Monaten, kann ich sagen, ich bin dankbar auf sie gehört zu haben und auch der angeratene Zwiebellook wird von mir täglich verwendet. Aber woran liegt es, dass das Wetter hier so unberechenbar ist und warum die ganzen Pullis?

Zuallererst muss man wissen, dass Ecuador in drei Regionen aufgeteilt ist. Es gibt die Costa (westlicher Küstenbereich), die Sierra (zentrales Andenhochland) und den Oriente (östliches Amazonastiefland). Somit ist Ecuador geografisch, topografisch und klimatisch eines der vielfältigsten Länder der Erde.
Die Costa nimmt ein Viertel der Gesamtfläche Ecuadors ein und die Hälfte der Bevölkerung hat sich dort niedergelassen. Das Küstengebirge Cordillera Costanera ist bis zu 800m hoch. Die fruchtbare Schwemmebene teilt sind klimatisch in den tropisch feuchten Norden und den semiariden Süden. Grund für diese Teilung ist der antarktische Humboldtstrom, der am Übergang dieser beiden Gebiete in den Pazifik fließt (Vgl. Volker Feser: Ecuador. Michel Müller, Erlangen 2005).
Die im Oriente liegenden Regenwälder des Amazonasbeckens sind dagegen sehr dünn besiedelt. Diese Region kann in die Ausläufer der Anden und die maximal 400m hohe flache Amazonasfläche unterteilt werden. Hier herrscht ein feucht-heißes tropisches Klima (Vgl. Nelson Gómez E.: Nuevo Atlas del Ecuador. Edugquias, Quito 2004).
Und zuletzt die Sierra, der wahrscheinlich interessanteste Bereich, denn beide Projekte des Freiwilligendienstes befinden sich in dieser Region. Das Hochland war früher die bevölkerungsreichste Region, heute leben aber nur noch rund 38% der Ecuadorianer dort. Fast alle größeren Städte der Sierra liegen in den zwei Gebirgszügen, welche den höchsten Berg Ecuadors, den Chimborazo, mit bis zu 6310m Höhe, beheimaten. Dazwischen befindet sich das Hochland, das 1.800m bis 3.200m hoch ist. Außerdem gibt es im Gegensatz zu den anderen Regionen, hier keine ausgeprägte Regenzeit, auch wenn die Monate November bis Mai als am regenreichsten gelten. Am Westhang der Anden können bis zu 5.000mm Niederschlag pro Jahr fallen, am Osthang sogar bis zu 6.000mm. Im Talkessel sind es nur rund 250-500mm Niederschlag im Jahr (Vgl. Nelson Gómez E.: Nuevo Atlas del Ecuador. Edugquias, Quito 2004).

Im Küstentiefland und im Regenwald sind es meist um die 25-30°C, also Temperaturen so wie sie im äquatorialen Tiefland erwartet werden. In Quito, welches auf 2.800m liegt, herrscht subtropisches Hochlandklima. Am Tag sind es um die 25°C und in der Nacht um die 10°C (Vgl. galapagos-ecuador.de, Land & Leute in Ecuador, Klima in Ecuador).

So weit zu den Fakten, aber wie genau hilft uns das jetzt bei unserer Frage nach dem Pulli weiter? Eigentlich sehr gut, denn schauen wir uns das Ganze doch noch einmal im Überblick an:
Die Niederschlagsmengen sind sehr unterschiedlich verteilt, was vor allem an dem Humboldtstrom liegt. Ab einer Höhe von circa 4.800m nimmt die Jahresmenge aber deutlich zu.
Es fällt sehr stark auf, dass das Klima durch stark regionale Temperaturunterschiede geprägt ist, die aufgrund der unterschiedlichen Höhenlage entstehen. Je höher eine Stadt liegt, desto kälter ist es. Das liegt ganz einfach daran, dass die Entfernung zur Erdoberfläche immer größer wird und die Stadt somit weniger von der Wärmestrahlung abbekommt, die die Erde aussendet.
Ecuador besitzt aufgrund der Nähe zum Äquator ein Tageszeitenklima, das heißt, dass die Temperaturverteilung im Laufe des Jahres relativ gleichmäßig bleibt, die Temperatur im Laufe des Tages aber sehr stark variiert. In der Sierra gibt es besonders ausgeprägte Tag-Nacht-Schwankungen. Das wird schon auf sehr kurze Entfernungen deutlich, denn beispielsweise ist es im Norden Quitos viel wärmer und trockener als im Süden.

Zusammenfassend kann man also nicht so einfach sagen, wie man sich für „Ecuador“ kleiden soll, denn es kommt immer auf die Region an, in der man sich gerade aufhält. Im heißen westlichen Flachland sind dann T-Shirts und leichte Hosen angemessen. Viel interessanter ist jetzt aber das Hochland, in dem ich die meiste Zeit verbringe. Morgens ist es recht warm, sodass man locker im T-Shirt rausgehen kann, aber eine Jacke oder einen Pullover sollte man auf jeden Fall immer um die Hüfte gebunden haben, sobald man das Haus verlässt, denn wenn nachmittags die Wolken auftauchen, merkt man sehr deutlich, dass man im Hochland lebt, weil man sofort einen deutlichen Temperaturunterschied wahrnimmt. Vor allem abends, wenn die Sonne dann komplett verschwunden ist, wird es, im Vergleich zum Tag, sehr viel kälter. Im Hochgebirge kann es sogar zu winterlichen Temperaturen und Schnee kommen, weshalb man bei Wanderungen und Bergbesteigungen auf jeden Fall warme Sachen einpacken sollte. Auch auf Regen sollte man immer und jederzeit vorbereitet sein.
Des Weiteren sollte man überall auf die starke UV-Strahlung achten und auch bei dunkler Haut einen angemessenen Sonnenschutz verwenden, denn glaubt mir: Die Sonne unterschätzt man gerne. So schützen Wolken keinesfalls vor einem Sonnenbrand und Wind neigt dazu diesen zu verschlimmern. Im Hochgebirge und auf dem Wasser ist das Risiko sogar noch größer.

Abgesehen von den kalten Nächten und unerwarteten Regeneinbrüchen, ist es für mich das perfekte Urlaubswetter. Vor allem als ich vor knapp 6 Monaten mit Wanderhose und Winterjacke, die natürlich nicht mehr in den Koffer gepasst haben, aus dem Flugzeug stieg, packte mich das Urlaubsfeeling… also hätte es mich gepackt, wenn wir tagsüber und nicht nachts angekommen wären. Aber spätestens am nächsten Tag war es da. Ich verbinde Urlaub immer mit Wärme, Sonne und meistens Strand, einfach weil so ein typischer Sommerurlaub von mir bis dahin immer aussah.
Das Wetter versetzte mich auch direkt wieder in diese Stimmung, aber irgendwie war es trotzdem nochmal etwas anderes, weil ich wusste ich lebe jetzt erst einmal hier. Kaum in Ibarra angekommen, durften wir uns auch schon direkt mit der Wohnungsübergabe, Sprachstunden und bald auch schon mit der Arbeit auseinandersetzten. So verflog das Urlaubsfeeling aber auch fast so schnell und plötzlich wieder wie es gekommen war. Schnell lernte ich Ibarra zu lieben und fühlte mich auch schon bald wie zuhause, wobei ich immer noch mit Bewunderung und Begeisterung durch die Straßen laufe.

Also was genau habe ich dann eigentlich hier für eine Position bzw. als was fühle ich mich?
Als Tourist? Am Anfang mit Sicherheit, besonders als ich mit meinem, immer an einem Band fest gesicherten, Handy durch die Straßen lief und jedes beeindruckende Gebäude und jeden schönen Park festhielt, öfters einmal mit Google Maps herumhantierte oder Leute nach dem Weg gefragt habe. Gerade auch auf Ausflügen, die wir am Wochenende meist starten, kommt ein bisschen dieses Gefühls wieder, weil ich dann wieder eine bis dahin mir unbekannte Stadt oder eine Lagune erkundet habe und so Stück für Stück so viel vom Land sehen kann.

Als Gringita, wie mich der nette ältere Mann immer so schön nennt, den ich jeden Morgen auf dem Weg zur Frühschicht treffe? Als gringo oder gringa werden allgemein Menschen bezeichnet, die eine für die spanischsprachige Welt unverständliche Sprache sprechen. In Ecuador wird der Begriff allgemein neutral und hauptsächlich für US-Amerikaner verwendet, aber auch Europäer bekommen ihn wegen ihrer Hauptfarbe oft zu spüren. Für Ecuadorianer bin ich also auf jeden Fall eine gringa, aber fühle ich mich auch so? Schwer zu sagen, aber teilweise schon. Obwohl ich zwar behaupten würde, dass mein Spanisch ganz ok und verständlich ist, hört man natürlich immer noch heraus, dass es nicht meine Muttersprache ist, was mir schon das eine oder andere Mal zum Nachteil wurde. Oft passiert es nämlich, dass einem bestimmte Lebensmittel oder ähnliches teurer verkauft werden als den Ecuadorianern. Nicht selten wird einem auch hinterhergerufen oder die Leute laufen einem hinterher und wollen alles über einen wissen. Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen, wie oft ich schon gefragt wurde, warum ich für ein Jahr nach Ecuador gegangen bin. Am Rand sei hier auch angemerkt, dass man dabei aber ganz klar unterscheiden muss, welche Leute sich wirklich ernsthaft für einen interessieren und welche leider andere Intentionen haben. Natürlich ist das ein äußerliches Merkmal, aber ich merke schon, dass wie mit mir umgegangen wird auch beeinflusst, wie ich über mich selbst denke.

Als Ecuadorianerin? Auf keinen Fall, hätte ich am Anfang gesagt, aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Aspekte dafür fallen mir ein. Gerade als meine Eltern mich besuchen kamen und ich sie überall herumführen konnte und ihnen alles gezeigt und erklärt habe, habe ich mich schon ein bisschen so gefühlt. Auch Momente, wie Leuten den Weg zeigen oder auf der Arbeit, den Kindern erklären, welchen Bus wir jetzt wo hin nehmen, verstärkt dieses Gefühl. Jedoch bin ich noch viel zu kurz hier um dieses Gefühl wirklich richtig wahrnehmen zu können. Außerdem steckt dafür einfach viel zu viel deutsches Blut in mir. Ohne jetzt an irgendwelche Klischees anknüpfen zu wollen, möchte ich von mir behaupten, dass ich viel zu organisiert und geplant bin um mich als Ecuadorianerin zu fühlen.

Also ihr merkt schon, so eindeutig ist das nicht. Ich würde behaupten, ich habe alles schon einmal gefühlt, wenn auch manches mehr und manches weniger deutlich zum Vorschein kam. Vielleicht ist es auch einfach der Mix aus allem, was mein Leben hier in Ecuador so besonders und wertvoll macht. Eines weiß ich aber mit Sicherheit: ich bin und fühle mich als eine Freiwillige, die die Möglichkeit hat in einem Land am anderen Ende der Welt eine neue Kultur kennen zu lernen und ihre ganz eigenen Erfahrungen zu machen, ob mit oder ohne Regenjacke und Pullover im Gepäck!

Sonntag, 1. März 2020

Weihnachten & Silvester

Weihnachten

Im Voraus hatte ich viele Bedenken, ob ich in Ecuador überhaupt in Weihnachtsstimmung kommen würde, denn es gibt auf unserer Höhe ganzjährig keinen Schnee und tagsüber ist es sowieso gefühlt immer Hochsommer, doch ganz im Gegenteil: ich war sogar schon im November in Weihnachtsstimmung, denn eigentlich fängt Weihnachten in Ecuador schon Anfang November an.
Was in Deutschland nur in den Geschäften so früh nach Weihnachten aussieht, findet man in Ecuador bzw. in Ibarra schon überall auf den Straßen. Auf dem Mark und auch in den Kinderheimen, in denen ich arbeite, standen pünktlich zum Novemberanfang schon komplett fertig geschmückte Weihnachtsbäume (Bilder 1 und 2) und in den Parks wurden bereits riesige Krippen und alles mögliche an anderem leuchtenden "Bling Bling" dekoriert (Bilder 3-11).
Ich gebe ja zu, dass ich tagsüber, wenn ich mal wieder in der kochend heißen Mittagshitze eine knappe Stunde bergauf zur Arbeit laufe, nicht gerade an Weihnachten denken kann und auch Weihnachtsmärkte und Glühwein findet man eher weniger (also gar nicht), aber wenn ich abends im Dunkeln und einigermaßen im Kalten wieder nach Hause laufe sieht das schon ganz anders aus. Überall glitzert und funkelt es, Weihnachtsbäume und Lichterketten strahlen eine ganz zauberhafte Stimmung aus und Geschenke hängen von den Bäumen in der Straßenmitte.

Auf der Arbeit gab es eine Dekorationschallenge, in der die drei Kinderheime der Fundación gegeneinander angetreten sind. Da die Auswertung schon Ende November war, musste als auch schon das ganze Haus im November schön gestaltet werden. Der Sinn war natürlich, dass die Kinder mithelfen und Dekoration basteln, aber da mangelte es etwas an Motivation und Konzentration. Also mussten die educadoras (Erzieherinnen) und vor allem wir als Freiwillige ran, denn gewinnen wollten die Kinder natürlich trotzdem. Da wir von der Aktion aber erst relativ spät erfuhren und ich auch nicht genau wusste, wer und wie es umgesetzt werden sollte, fingen wir erst ziemlich spät an, was in den letzten zwei Wochen für einen kleinen Bastelmarathon sorgte. Wir bastelten Schneeflocken, Girlanden mit allen möglichen Weihnachtsmotiven, einen Schneemann, Weihnachtsbäume und sonstige Dekoration, während die educadoras Lichterketten, Tannenzweige (unechte natürlich) und eine Krippe mit Figuren mitbrachten und aufbauten (Bilder 12-21). Ich machte mit einer Mitfreiwilligen sogar einen Adventskalender selbst, den wir dann in Baumform mit Ästen und Lichterketten aufhingen (Bild 22). Dies ist auch eine deutsche Tradition, die es in Ecuador natürlich nicht gibt, aber viele Kinder kannten sie schon von unseren Vorfreiwilligen. Dies war eine sehr stressige Zeit, denn wir bastelten zuhause weiter (Bilder 23 und 24) und kamen sogar extra früher auf die Arbeit oder blieben länger um alles rechtzeitig fertig zu machen und aufzuhängen, denn nebenbei mussten wir auch noch unsere alltäglichen Aufgaben erfüllen und das Haus musste zur Bewertung sauber und aufgeräumt sein. Am Ende schafften wir tatsächlich alles rechtzeitig fertig und auch wenn wir nicht gewonnen haben, war das Haus trotzdem schön dekoriert und das ist ja das was zählt!

Im Dezember ging die Weihnachtszeit dann aber erst richtig los. Jeden Tag gab es ungelogen mehrere Veranstaltungen, bei denen wir mit den Kindern durch ganz Ibarra gefahren sind. Sei es in der Schule, im Kindergarten oder von diversen anderen Organisationen, die ein kleines Programm mit Tänzen, Liedern oder einem Essen für unsere Kids vorbereitet hatten. Oft gab es dann noch die berühmt berüchtigten Weihnachtstüten mit Keksen und sontigem Süßkram, von denen jeder der Kinder im Laufe der Weihnachtszeit mindestens 20 Tüten abgestaubt hat. Kurz vor Ende der Weihnachtszeit hatte ich dann auch mal eine ergattert (Bild 25), meine Mitbewohner waren da ein bisschen erfolgreicher als ich (Bild 26).
Aber eines war immer gleich: am Ende gab es eine Spende an die Fundación. Meist als Kleiderspende an die gesamten Einrichtung, aber es gab auch immer noch ein Geschenk für jedes einzelne Kind - jeden Tag mehrmals!
Ich kann es total verstehen, wenn Organisationen sich bereit erklären einem Kinderheim in der Weihnachtszeit unter die Arme zu greifen und den Kindern eine Freude zu machen. Das ist total lieb gemeint und sehr hilfsbereit. Doch die Menge in der das passiert ist, hat mich zum Nachdenken gebracht. Die Kinder haben die Geschenke, die von Puppen über steuerbare Spielzeugautos bis hin zu allen möglichen Süßigkeiten reichen, direkt aufgerissen, maximal zwei Tage damit gespielt und dann landete das Spielzeug irgendwo in der Ecke, den sie hatten ja schon wieder drei andere bekommen. So ging es den ganzen Dezember lang, überall lag Geschenkpapier und haufenweise Spielzeuge herum. Die Kinder konnten, dass was sie bekommen haben, so überhaupt nicht wertschätzen, sondern waren eher noch gierig nach mehr. Außerdem finde ich persönlich, dass den Kindern dadurch auch ein falsches Bild von Weihnachten beigebracht wird, denn an Weihnachten sollten die Geschenke nicht im Mittelpunkt stehen. Viel wichtiger ist es, Zeit mit seinen Liebsten zu verbringen!
Natürlich weiß ich nicht, ob das jedes Jahr so ist, oder nur dieses Jahr eine Ausnahme war, aber falls jemand irgendwann vor hat einem Kinderheim unter die Arme zu greifen um Kindern eine Freunde zu machen, denkt daran, dass das Jahr auch noch elf andere Monate hat, in denen, zumindest unsere Kinder, so gut wie nichts bekommen.

Außerdem gab es im Dezember auch noch die sogenannte novena, was eine Art neun-tägige Abendandacht mit Gebeten, Liedern und allen möglichen anderen Aktivitäten wie Kinderschminken war. Hinzu kam, dass alle drei Häuser einen Tanz für die große Weihnachtsfeier der Fundación vorbereiten mussten (bei der es natürlich auch nochmal einen Haufen Geschenke gab) und viele Kinder noch Weihnachtskonzerte vom Schulchor hatten (Bilder 27 und 28). Außerdem hatte ein Mädchen eine Weihnachtsparade, bei der ich dann sogar mit gelaufen bin (Bilder 29 und 30, Video 1). Und das alles neben dem sowieso schon stressigen Alltag mit allen möglichen Arztbesuchen, Englischkursen, Therapien, Elternbesuchen und Schulaktivitäten. Neben der ganzen Arbeit mussten dann natürlich noch alle möglichen Weihnachtsgeschenke besorgt werden, Weihnachtskarten wurden geschrieben (ist davon überhaupt schon eine einzige angekommen? Ich weiß von nichts...) und die WG musste geschmückt werden. Da wir aber nach der extremen Bastelphase auf der Arbeit nicht mehr so viel Zeit und Motivation hatten, beschränkte sich das eher auf unsere Fensterwand und ein paar Lichterketten (Bild 31).

Dezember war für mich schon immer ein sehr stressiger Monat, vor allem aber auch, weil während der Schulzeit immer die Klausenphase dort mit allen möglichen anderen Aktivitäten kollidiert ist. Deshalb dachte ich, wird das jetzt anders, aber soll wohl nicht sein. Mittlerweile ist der Dezemberstress aber eigentlich auch schon ein fester Bestandteil des Jahresabschlusses bei mir geworden - und es ist ok so!


































Für den 24. Dezember hatten wir ein paar Einladungen von Freunden, unserer Chefin und noch einer anderen Familie, die auch immer (ehemalige) Bewohner des Kinderheims aufnimmt und mit ihnen Weihnachten feiert. Wir entschieden uns für letzteres. Dort gab es die Tradition des amigo secreto (Wichteln). Also mussten wir uns auch noch um ein Geschenk für jemanden kümmern, den wir kaum bis gar nicht kannten.
Da ich als einzige von uns in der Frühschicht war, musste ich auch als einzige auch noch am 24. Dezember arbeiten. Um 18 Uhr sollten wir von der Familie abgeholt werden und ganz pünktlich ecuadorianisch kamen sie dann auch um 20:30 Uhr  langsam angetuckert. In der Wartezeit frierten wir uns mit unserem selbst gebackenen Kuchen ein bisschen ab (Bilder 32 und 33). Wir fuhren in eine Art Behinderteneinrichtung mit Hinterhof, in dem schon ein großer Tisch gedeckt war  und ein kleiner Weihnachtsbaum mit Geschenken in der Ecke stand (Bilder 34-36). Nach der letzten novena, die traditionellerweise an Heilig Abend stattfindet, gab es das Weihnachtsessen mit Truthahn (Bild 37). Danach wurde gewichtelt, in dem eine Person immer ihren amigo secreto (wörtlich übersetzt: geheimer Freund) beschreibt, dann müssen alle raten wer gemeint ist, dieser muss das Geschenk dann vor allen öffnen und ist danach mit beschreiben dran. Das ist eine sehr schöne Möglichkeit, bei der immer alle eingebunden sind und jeder mitbekommt wer wem was geschenkt hat. Ich habe einen Poncho mit Kette (Bild 38) und passenden Ohrringen bekommen. Nach dem Nachtisch, ging dann das große Tanzen los, welches auf eigentlich allen ecuadorianischen Feiern ihren Platz findet. Was meistens mit Paartanz-Salsa beging, endet mit einem Herumhüpfen in der ganzen Gruppe und Polonaise. Da wir aber alle sehr müde waren, gingen wir gegen 2 Uhr nach Hause, denn zumindest ich musste wegen der Frühschicht um 4:30 Uhr aufstehen. Trotzdem war es ein sehr schöner Abend, an dem wir mal ganz ecuadorianisch Weihnachten feiern konnten.

Der 25. Dezember ist nationaler Feiertag und wir beschlossen eine WG interne Weihnachtsfeier zu machen (Bild 39). Für das 3-Gänge Menü wurde fast der ganze Tag in der Küche verbracht. Schließlich gab es als Vorspeise Kürbissuppe mit tostado und einen Salatteller (Bild 40). Der Hauptgang bestand aus Spinatknödel mit Sahne- bzw. Tomatensoße (Bild 41). Danach gab es die Bescherung, bei der wir uns gegenseitig kleine Aufmerksamkeiten schenkten, über die wir uns alle sehr freuten. Besonders die Süßigkeiten, für die man normalerweise zu geizig ist, wurde mit einem breiten Grinsen entgegengenommen. Mit Schokoladenpudding und Früchten schauten wir dann noch einen Film und ließen so den Abend noch schön ausklingen (Bild 42).

Am nächsten Tag, ging der Alltag ganz normal wieder weiter. Wir gingen zur Arbeit und erfüllten unsere Pflichten. Während in Deutschland also die Familienbesuche starteten, waren wir schon längst wieder im Alltag angekommen. Aber auch das gehört zu einem typisch ecuadorianischen Weihnachten eben dazu!














Silvester

Meine Mitfreiwilligen sind alle über Silvester verreist und schauten dem Spektakel vom Strand aus zu. Für mich war es zunächst ein ganz normaler Arbeitstag. Doch schon am Nachmittag merkte man, dass das alles andere als ein ganz normaler Tag ist. Es gibt sehr viele kuriose Silvester Traditionen. Die bekannteste sind wohl die menschengroßen Puppen aus Holz Papier oder alten Klamotten, wie es bei uns im Kinderheim der Fall war (Bilder 43 und 44). Diese año viejos (altes Jahr) oder muñecas (Hampelmänner) werden vor Silvester gemeinsam gebastelt. Die Maske, die ihnen anschließend aufgesetzt wird, verkörpert meist berühmte Politiker, Schauspieler oder Sportler. Manchmal werden sogar Zettel mit schlechten Ereignissen oder Personen des letzten Jahres in den Puppen versteckt (Bild 45). Um Mitternacht werden sie als Symbol des alten Jahres angezündet, um böse Geister zu vertreiben und alles Schlechte aus dem letzten Jahr hinter sich zu lassen.

Um 20 Uhr trafen dann alle drei Kinderheime zusammen. Viele waren verkleidet oder hatten Perücken auf. Es wurde gefeiert und gab später auch Pizza. Gegen 22 Uhr beschloss ich zu gehen, denn ich war bei unseren Nachbarn eingeladen und wollte mit ihnen Silvester feiern. Auf dem nach Hause Weg erfuhr ich aber, dass sie schon weg gefahren sind. Da ich nicht mehr umdrehen wollte, lief ich also nach Hause. Auf den Straßen war überall Party Stimmung und eine weitere Tradition machte sich bemerkbar. Männer mit aufreizender Kleidung und Luftballon-Brüsten lieferten einen lustigen Anblick, wenn sie Autos anhielten und Spenden einsammeln. Sie symbolisieren die Witwen der später in der Nacht verbrannten muñecas. Außerdem waren die Straßen in eine Party Meile verwandelt worden mit lauter Bühnen und feiernder Meute.

Zuhause setzte ich mich dann auf unsere Terrasse und wartete darauf, dass es Mitternacht wurde. Schon bis zu einer Stunde vorher sah man aber schon aus verschiedensten Ecken immer wieder wie Raketen in die Luft geschossen wurden. Kurz vor Mitternacht gingen dann alle Familien mit ihren Puppen auf die Straße und zündeten sie um Punkt 0 Uhr an, sodass auf unserer Straße alle paar Meter ein kleiner Scheiterhaufen errichtet wurde (Bild 46 und 47, Video 2), von dem man auch am nächsten Morgen noch die Reste vor fand. Feuerwerke wurde mehr von größeren Gemeinschaften abgefeuert (Videos 3 und 4) und eher weniger von Privathaushalten, welche sich dafür sehr auf das verbrennen der Puppen konzentrierten.
Ich schaute mir das Spektakel eine Weile an, dachte viel nach und ging dann kurz vor 1 Uhr ins Bett.


Alles in allem fand ich es sehr spannend diese Festlichkeiten mal auf die ecuadorianische Art und Weise zu feiern und mitzubekommen. Dadurch habe ich noch einmal viel mehr über Traditionen, Kultur und die Menschen hier gelernt. Ich bin sehr dankbar, dass ich das alles hier erleben durfte!