Als ich meinen Koffer für meine Reise nach Ecuador packte, stand
ich, so wie wahrscheinlich die Meisten von uns, vor der großen Herausforderung,
welche Klamotten ich mitnehmen sollte. Mein erster Gedanke hierbei war, dass
Ecuador am Äquator liegt und es dort dann mit Sicherheit richtig warm ist, weil
wo soll es wärmer sein, als am Äquator. Auf dem Vorbereitungsseminar war dann
plötzlich die Rede von warmen Pullovern und Schals. Ich war verwirrt, höre aber
brav auf die Tipps unserer Vorfreiwilligen, denn wer, wenn nicht sie, wissen
was man am besten einpackt. Und siehe da, jetzt nach fast 6 Monaten, kann ich
sagen, ich bin dankbar auf sie gehört zu haben und auch der angeratene Zwiebellook
wird von mir täglich verwendet. Aber woran liegt es, dass das Wetter hier so
unberechenbar ist und warum die ganzen Pullis?
Zuallererst muss man wissen, dass Ecuador in drei Regionen
aufgeteilt ist. Es gibt die Costa (westlicher
Küstenbereich), die Sierra (zentrales
Andenhochland) und den Oriente (östliches
Amazonastiefland). Somit ist Ecuador geografisch, topografisch und klimatisch
eines der vielfältigsten Länder der Erde.
Die Costa nimmt ein
Viertel der Gesamtfläche Ecuadors ein und die Hälfte der Bevölkerung hat sich
dort niedergelassen. Das Küstengebirge Cordillera
Costanera ist bis zu 800m hoch. Die fruchtbare Schwemmebene teilt sind
klimatisch in den tropisch feuchten Norden und den semiariden Süden. Grund für
diese Teilung ist der antarktische Humboldtstrom, der am Übergang dieser beiden
Gebiete in den Pazifik fließt (Vgl. Volker
Feser: Ecuador. Michel Müller, Erlangen 2005).
Die im Oriente
liegenden Regenwälder des Amazonasbeckens sind dagegen sehr dünn besiedelt. Diese
Region kann in die Ausläufer der Anden und die maximal 400m hohe flache
Amazonasfläche unterteilt werden. Hier herrscht ein feucht-heißes tropisches Klima
(Vgl. Nelson Gómez E.: Nuevo Atlas
del Ecuador. Edugquias, Quito 2004).
Und zuletzt die Sierra,
der wahrscheinlich interessanteste Bereich, denn beide Projekte des
Freiwilligendienstes befinden sich in dieser Region. Das Hochland war früher
die bevölkerungsreichste Region, heute leben aber nur noch rund 38% der
Ecuadorianer dort. Fast alle größeren Städte der Sierra liegen in den zwei Gebirgszügen, welche den höchsten Berg
Ecuadors, den Chimborazo, mit bis zu
6310m Höhe, beheimaten. Dazwischen befindet sich das Hochland, das 1.800m bis
3.200m hoch ist. Außerdem gibt es im Gegensatz zu den anderen Regionen, hier
keine ausgeprägte Regenzeit, auch wenn die Monate November bis Mai als am
regenreichsten gelten. Am Westhang der Anden können bis zu 5.000mm Niederschlag
pro Jahr fallen, am Osthang sogar bis zu 6.000mm. Im Talkessel sind es nur rund
250-500mm Niederschlag im Jahr (Vgl. Nelson
Gómez E.: Nuevo Atlas del Ecuador. Edugquias, Quito 2004).
Im Küstentiefland und
im Regenwald sind es meist um die 25-30°C, also Temperaturen so wie sie im
äquatorialen Tiefland erwartet werden. In Quito, welches auf 2.800m liegt,
herrscht subtropisches Hochlandklima. Am Tag sind es um die 25°C und in der
Nacht um die 10°C (Vgl. galapagos-ecuador.de, Land & Leute in Ecuador,
Klima in Ecuador).
So weit zu den Fakten, aber wie genau hilft uns das jetzt bei
unserer Frage nach dem Pulli weiter? Eigentlich sehr gut, denn schauen wir uns
das Ganze doch noch einmal im Überblick an:
Die Niederschlagsmengen sind sehr unterschiedlich verteilt,
was vor allem an dem Humboldtstrom liegt. Ab einer Höhe von circa 4.800m nimmt
die Jahresmenge aber deutlich zu.
Es fällt sehr stark auf, dass das Klima durch stark regionale
Temperaturunterschiede geprägt ist, die aufgrund der unterschiedlichen
Höhenlage entstehen. Je höher eine Stadt liegt, desto kälter ist es. Das liegt
ganz einfach daran, dass die Entfernung zur Erdoberfläche immer größer wird und
die Stadt somit weniger von der Wärmestrahlung abbekommt, die die Erde
aussendet.
Ecuador besitzt aufgrund der Nähe zum Äquator ein
Tageszeitenklima, das heißt, dass die Temperaturverteilung im Laufe des Jahres
relativ gleichmäßig bleibt, die Temperatur im Laufe des Tages aber sehr stark
variiert. In der Sierra gibt es besonders ausgeprägte Tag-Nacht-Schwankungen. Das
wird schon auf sehr kurze Entfernungen deutlich, denn beispielsweise ist es im
Norden Quitos viel wärmer und trockener als im Süden.
Zusammenfassend kann man also nicht so einfach sagen, wie man
sich für „Ecuador“ kleiden soll, denn es kommt immer auf die Region an, in der
man sich gerade aufhält. Im heißen westlichen Flachland sind dann T-Shirts und
leichte Hosen angemessen. Viel interessanter ist jetzt aber das Hochland, in
dem ich die meiste Zeit verbringe. Morgens ist es recht warm, sodass man locker
im T-Shirt rausgehen kann, aber eine Jacke oder einen Pullover sollte man auf
jeden Fall immer um die Hüfte gebunden haben, sobald man das Haus verlässt,
denn wenn nachmittags die Wolken auftauchen, merkt man sehr deutlich, dass man
im Hochland lebt, weil man sofort einen deutlichen Temperaturunterschied wahrnimmt.
Vor allem abends, wenn die Sonne dann komplett verschwunden ist, wird es, im
Vergleich zum Tag, sehr viel kälter. Im Hochgebirge kann es sogar zu
winterlichen Temperaturen und Schnee kommen, weshalb man bei Wanderungen und
Bergbesteigungen auf jeden Fall warme Sachen einpacken sollte. Auch auf Regen
sollte man immer und jederzeit vorbereitet sein.
Des Weiteren sollte man überall auf die starke UV-Strahlung
achten und auch bei dunkler Haut einen angemessenen Sonnenschutz verwenden,
denn glaubt mir: Die Sonne unterschätzt man gerne. So schützen Wolken
keinesfalls vor einem Sonnenbrand und Wind neigt dazu diesen zu verschlimmern.
Im Hochgebirge und auf dem Wasser ist das Risiko sogar noch größer.
Abgesehen von den kalten Nächten und unerwarteten Regeneinbrüchen,
ist es für mich das perfekte Urlaubswetter. Vor allem als ich vor knapp 6
Monaten mit Wanderhose und Winterjacke, die natürlich nicht mehr in den Koffer
gepasst haben, aus dem Flugzeug stieg, packte mich das Urlaubsfeeling… also
hätte es mich gepackt, wenn wir tagsüber und nicht nachts angekommen wären.
Aber spätestens am nächsten Tag war es da. Ich verbinde Urlaub immer mit Wärme,
Sonne und meistens Strand, einfach weil so ein typischer Sommerurlaub von mir
bis dahin immer aussah.
Das Wetter versetzte mich auch direkt wieder in diese
Stimmung, aber irgendwie war es trotzdem nochmal etwas anderes, weil ich wusste
ich lebe jetzt erst einmal hier. Kaum in Ibarra angekommen, durften wir uns
auch schon direkt mit der Wohnungsübergabe, Sprachstunden und bald auch schon
mit der Arbeit auseinandersetzten. So verflog das Urlaubsfeeling aber auch fast
so schnell und plötzlich wieder wie es gekommen war. Schnell lernte ich Ibarra
zu lieben und fühlte mich auch schon bald wie zuhause, wobei ich immer noch mit
Bewunderung und Begeisterung durch die Straßen laufe.
Also was genau habe ich dann eigentlich hier für eine
Position bzw. als was fühle ich mich?
Als Tourist? Am Anfang mit Sicherheit, besonders als ich mit
meinem, immer an einem Band fest gesicherten, Handy durch die Straßen lief und
jedes beeindruckende Gebäude und jeden schönen Park festhielt, öfters einmal
mit Google Maps herumhantierte oder Leute nach dem Weg gefragt habe. Gerade
auch auf Ausflügen, die wir am Wochenende meist starten, kommt ein bisschen
dieses Gefühls wieder, weil ich dann wieder eine bis dahin mir unbekannte Stadt
oder eine Lagune erkundet habe und so Stück für Stück so viel vom Land sehen kann.
Als Gringita, wie
mich der nette ältere Mann immer so schön nennt, den ich jeden Morgen auf dem
Weg zur Frühschicht treffe? Als gringo
oder gringa werden allgemein Menschen
bezeichnet, die eine für die spanischsprachige Welt unverständliche Sprache
sprechen. In Ecuador wird der Begriff allgemein neutral und hauptsächlich für
US-Amerikaner verwendet, aber auch Europäer bekommen ihn wegen ihrer Hauptfarbe
oft zu spüren. Für Ecuadorianer bin ich also auf jeden Fall eine gringa, aber fühle ich mich auch so?
Schwer zu sagen, aber teilweise schon. Obwohl ich zwar behaupten würde, dass
mein Spanisch ganz ok und verständlich ist, hört man natürlich immer noch
heraus, dass es nicht meine Muttersprache ist, was mir schon das eine oder
andere Mal zum Nachteil wurde. Oft passiert es nämlich, dass einem bestimmte
Lebensmittel oder ähnliches teurer verkauft werden als den Ecuadorianern. Nicht
selten wird einem auch hinterhergerufen oder die Leute laufen einem hinterher
und wollen alles über einen wissen. Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen,
wie oft ich schon gefragt wurde, warum ich für ein Jahr nach Ecuador gegangen bin.
Am Rand sei hier auch angemerkt, dass man dabei aber ganz klar unterscheiden
muss, welche Leute sich wirklich ernsthaft für einen interessieren und welche
leider andere Intentionen haben. Natürlich ist das ein äußerliches Merkmal,
aber ich merke schon, dass wie mit mir umgegangen wird auch beeinflusst, wie
ich über mich selbst denke.
Als Ecuadorianerin? Auf keinen Fall, hätte ich am Anfang
gesagt, aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Aspekte dafür fallen
mir ein. Gerade als meine Eltern mich besuchen kamen und ich sie überall herumführen
konnte und ihnen alles gezeigt und erklärt habe, habe ich mich schon ein
bisschen so gefühlt. Auch Momente, wie Leuten den Weg zeigen oder auf der Arbeit,
den Kindern erklären, welchen Bus wir jetzt wo hin nehmen, verstärkt dieses
Gefühl. Jedoch bin ich noch viel zu kurz hier um dieses Gefühl wirklich richtig
wahrnehmen zu können. Außerdem steckt dafür einfach viel zu viel deutsches Blut
in mir. Ohne jetzt an irgendwelche Klischees anknüpfen zu wollen, möchte ich
von mir behaupten, dass ich viel zu organisiert und geplant bin um mich als Ecuadorianerin
zu fühlen.
Also ihr merkt schon, so eindeutig ist das nicht. Ich würde
behaupten, ich habe alles schon einmal gefühlt, wenn auch manches mehr und
manches weniger deutlich zum Vorschein kam. Vielleicht ist es auch einfach der
Mix aus allem, was mein Leben hier in Ecuador so besonders und wertvoll macht.
Eines weiß ich aber mit Sicherheit: ich bin und fühle mich als eine
Freiwillige, die die Möglichkeit hat in einem Land am anderen Ende der Welt eine
neue Kultur kennen zu lernen und ihre ganz eigenen Erfahrungen zu machen, ob
mit oder ohne Regenjacke und Pullover im Gepäck!