Am 8.November fand in Quito in der Residenz des deutschen Botschafters Dr. Phillip Schauer in Cumbres del Valle, Cumbayá, der Día Weltwärts statt. Von 7:30 Uhr bis 16:30 Uhr haben sich dort alle 150 Weltwärts-Freiwilligen aus ganz Ecuador getroffen, um den Tag zusammen zu verbringen. Der Botschafter selbst kam wegen eines Termins erst später, weshalb seine Frau die Begrüßung übernommen hat. Neben den sieben Experten, die für Vorträge und Workshops eingeladen wurden, gab es ein Team, bestehend aus rund zehn Mitarbeitern, Praktikanten und Photografen, die den Tag organisiert und somit ermöglicht haben. Nach der Begrüßung gab es einen kurzen Vortrag über Sicherheit, bei dem wir nochmals unter anderem über das Verhalten bei Erdbeben und Vulkanausbrüchen informiert wurden, uns erzählt wurde, wie wir am besten auf unsere Sachen aufpassen und uns Tipps für Bus und Taxifahrten gegeben wurden. Nach einer kurzen Pause gab es einen längeren Vortrag von einem Professor einer Universität über die Geschichte Ecuadors, ihre Politik und die Unruhen des vergangenen Monats. Der Professor erzählte von den Höhen und Tiefen Ecuadors, die stark mit der Erdölproduktion verbunden waren, wobei er die durch wachsende Ölproduktion, steigende Ölpreise und starkes Wirtschaftswachstum bedingten Höhen als “Party” und die durch das Sinken des Ölpreises bedingten Tiefen und die damit einhergehende Verschuldung und Inflation als “Kater” bezeichnete. Er sprach die zu vielen Konsumausgaben in der Zeit des Wohlstandes an, welche Ecuador zusammen mit Kriegen und Unwetterkatastrophen immer wieder in eine Krise brachten. Außerdem betonte er, dass die stagnierende Wirtschaft der Grund für die Unruhen gewesen sei, weil die Leute durch die nicht weiter wachsende Wirtschaft ungeduldig geworden seien. Die Verkleinerung der Benzin und Dieselsubventionen habe das Fass dann zum Überlaufen gebracht, weshalb die Proteste des letzten Monats, die übrigens vor allem gegen den Rechnungshof gerichtet waren, stärker und gefährlicher denn je waren. Nach einer weiteren Pause mit kleinen Snacks ging es in die vier Workshopgruppen, die durch die Farbe der Eintrittsbänder quasi ausgelost worden waren. Einer davon war ein Vortrag über das Amazonasgebiet und besonders über den Nationalpark Yasuní und deren Erdölausbeutung, indem es darum ging, dass das Land den indigenen Völkern gehört, aber die Erdölblöcke dem Staat, womit dieser das Recht hat, das Erdöl aus dem Boden zu holen, aber die Indianer durch die Verschmutzung und das Methan, was dabei ebenfalls an die Erdoberfläche kommt, darunter leiden müssen, denn eine Umsiedlung ist nicht möglich. So lernten wir viel über den Konflikt zwischen indigenen Völkern und Staat, sowie über die Kultur und Lebensweise verschiedenster Völker, dessen Tourismusprojekte, um an das nötige Geld zum Leben zu kommen, und über die Ernsthaftigkeit der Bedrohung des Amazonasgebiets. In einem weiteren Workshop lernten wir, wie man Colada Morada zubereitet und verzierten Guaguas de Pan, die man traditionellerweise am 2. November, dem Día de los Difuntos, zusammen isst. So feierten wir nachträglich auch ein bisschen ecuadorianische Kultur. Der letzte Workshop bestand aus einem Tanzkurs mit Salsa, Bachata und Merengue, womit uns ein weiterer Teil der Kultur nähergebracht wurde. Das vierte Zeitfenster war eine längere Pause, in der wir genug Zeit hatten, uns mit anderen Freiwilligen über unsere Projekte auszutauschen und uns zu vernetzen. Alle waren sehr offen und interessiert an den Projekten der anderen und es war interessant zu hören, was es noch so für Projekte gibt und in welche Städte und Dörfer es die anderen Freiwilligen so verschlagen hat.
Alles in allem hat es uns sehr gut gefallen und wir können die Teilnahme auf jeden Fall empfehlen, denn der Austausch mit anderen Freiwilligen war sehr bereichernd und die Workshops und Vorträge waren sehr informativ und interessant gestaltet, sodass jeder mit Sicherheit etwas für sich daraus mitnehmen konnte.
Freitag, 15. November 2019
Día Weltwärts
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Freitag, 1. November 2019
Erster Zwischenbericht
Von Weltwärts aus, müssen alle Freiwilligen alle drei Monate einen Zwischenbericht verfassen, hier also mein erster von vier Berichten. Enjoy!
Zu Beginn schien es eine ganz normale Busfahrt zu sein. Wir
stiegen in Mompiche in den Reisebus der uns nach einem Wochenende am Strand,
mit den Kindern aus den Wohngruppen unserer Arbeitsstelle, wieder nach Ibarra
bringen sollte. 7,5 Stunden Busfahrt hatte ich also vor mir. Anfangs saß ich am
Gang neben einem Mädchen, welches, mit dem Kopf auf meinen Beinen, versuchte zu
schlafen. Ich versuchte anfangs zu lesen, was ich aber aufgrund der
Geräuschkulisse im hinteren Teil des Busses schnell wieder aufgab. Nachdem ich
dann ein bisschen Kinder bespaßte und ermahnte, sich doch bitte wieder auf ihre
Plätze zu setzen, wollte das Mädchen neben mir sich an den Gang setzen. Also
ging ich ans Fenster.
Nach kurzer Zeit hatte ich das Bedürfnis das Fenster des
Busses ganz aufzumachen und sofort packte mich eine warme Sommerbrise, die
meine Haare in den Bus wehte und mein Top wedeln ließ. Ich schaute
gedankenverloren dabei zu, wie kleine Dörfer, die berühmten tiendes
(Geschäfte am Straßenrand), Wälder, Flüsse, Seen und alles was man sich so noch
an Natur vorstellen kann, an mir vorbeizogen. Als ich all diesem schon eine
ganze Weile zusah und einfach nur die Natur genoss, überkam mich ein
unbeschreibliches Gefühl. Ein Gefühl von vollster Zufriedenheit. Ich hatte in
diesem Moment nicht, wie sonst eigentlich immer, das Bedürfnis zu lesen, zu
lernen oder sonst etwas produktives zu tun um mich weiterzubilden. Ich schaute
einfach nur aus dem Fenster und war glücklich und … es war ok so. Ich bereute
es nicht meine Zeit mit sinnlosem Aus dem Fenster schauen zu
„vergeuden“, denn das war es nicht. Dieser Moment gab mir so viel und ließ mich
über so viel nachdenken, dass die Zeit wahrscheinlich bei weitem wertvoller
genutzt wurde, als mit dem Lesen eines historischen Romans auf Spanisch – was
eine meiner Lieblingsbeschäftigungen ist, wenn es um Weiterbilden und Lernen
geht. Ich starrte mehrere Stunden einfach aus dem Fenster und genoss es, mir
die Zeit ganz für mich zu nehmen. Die Natur wirkte so beruhigend auf mich und
doch gab sie mir so viel neue Denkanstöße. Ich vergaß alles um mich herum. Das
Kindergetümmel, vorbeifahrende Autos und sonstige Geräusche, die mich
normalerweise sofort ablenken würden, waren komplett ausgeblendet und die Zeit
stand für ein paar Stunden einfach still.
Ich hatte meinen Kopf nicht zu weit aus dem Fenster
gestreckt. Immerhin bin ich ja ein Vorbild für die Kinder, aber von verbotenen Handys
war nie die Rede. Also knipste ich wie wild mit meiner Innenkamera darauf los,
weil meine Außenkamera auf mysteriöse Art und Weise kaputt gegangen ist. Als
ich die Bilder danach anschaute, waren sie für die Verrenkungen ganz ok, aber
was ich in dem Moment fühlte, kam bei weitem nicht rüber und auch mit der
Außenkamera meines Handys oder einem Video wäre das nicht viel anders gewesen.
Erstens, weil Bilder nur zweidimensional sind, die Wirklichkeit aber drei
Dimensionen hat und zweitens, weil man einfach live dabei gewesen sein muss, um
dieses Gefühl zu erleben. Ich knipste immer wieder darauf los, weil ich alles
so unglaublich schön fand und zwanghaft festhalten wollte. Beim Anschauen der
Bilder stellte ich dann aber immer wieder fest, dass das einfach bei weitem
nicht an die Realität herankommt. Generell weiß ich eigentlich schon beim
Bilder machen, dass ich mir diese tausenden und abertausenden Bilder, die ich
hier schon gemacht habe, sowieso nie wieder alle anschauen werde. Einfach weil
man das Gefühl nur im Herzen und nicht auf Fotos festhalten kann. Dieses Gefühl
von … Freiheit. Aber was ist das eigentlich genau?
„Freiheit wird in der Regel als die Möglichkeit
verstanden, ohne Zwang zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten auswählen und
entscheiden zu können“, sagt Wikipedia. Doch kann das so einfach auf einen
Satz heruntergebrochen werden? Und viel wichtiger: Was bedeutet Freiheit für
mich ganz konkret? Wikipedia sagt, dass man ohne Zwang, also ohne Einfluss von
außen, frei Entscheidungen treffen kann, die man selbst für richtig hält und hinter
denen man zu 100% steht, aber dabei muss es gar nicht zwingend keine Regeln
geben, denn kann man in den Regeln nicht auch noch selbst bestimmen, welchen
Weg man geht und machen worauf man Lust hat? Ist es nicht manchmal sogar
sinnvoll Regeln zu haben, die einen den Weg weisen also somit eine
unterstützende Funktion haben? Und ist Freiheit nicht auch irgendwie, die
perfekte Kombination im Leben zu finden, die perfekte Kombination von Arbeit
und Reisen, die sogenannte Work-Life-Balance von der immer alle reden
und die als so erstrebenswert gilt. Obwohl perfekt auch wieder so ein
schwieriges Wort ist mit dem man aufpassen sollte, denn gibt es diese perfekte
Kombination überhaupt? Ist nicht „perfekt“ ein komplett subjektives Empfinden?
Hat nicht jeder eine eigene, ganz subjektive Vorstellung, von den Dingen die
ihn glücklich machen und die er in seinem Leben haben will?
Fragen über Fragen, die durch meinen Kopf schwirrten als ich
da so ganz abwesend aus dem Fenster des Reisebusses schaute und meine Gedanken
einfach so kommen und gehen ließ. Und als die Natur so an meinem Fenster
vorbeizog, war sie so nah und greifbar und gleichzeitig nahm ich die unendliche
Weite war, die die Natur mir bot. Da wurde mir wieder klar, wie groß die Welt
doch ist und was für einen kleinen Teil wir doch ausmachen, einen kleinen aber
nicht unbedeutenden, sondern wichtigen Teil. Denn egal wie klein der Anteil
ist, denn wir auf der Erde beitragen, wenn er nicht da ist, fehlt etwas. Es ist
wie ein großes Puzzle, fehlt ein Stück – und ist es noch so klein – ist das
Puzzle nicht vollständig.
Plötzlich realisierte ich, dass das in der Natur sein und
diese einfach genießen eines dieser Dinge ist, die ich in der Vergangenheit
viel zu wenig gemacht habe und die definitiv in meiner ganz persönlichen
perfekten Kombination meines Lebens in Zukunft mehr Platz einnehmen soll und auch
hoffentlich wird, denn dieser kleine Moment am Fenster hat mir unglaublich viel
gegeben und wer weiß was für Erkenntnisse noch in mir schlummern, die auch alle
noch entdeckt werden wollen. So ist eine Reise ins Fremde und Unbekannte,
eigentlich immer wieder eine Reise zu einem selbst.
In solchen Situationen wird mir dann wieder bewusst, was ich
doch für ein Privileg habe, das ich hier gerade meinen Traum leben darf und
solche Erkenntnisse habe und mir wird immer mehr bewusst, wie wichtig es ist
auch die kleinen und unscheinbaren Dinge zu genießen, weil sie so schnell
wieder vorbei sein können, aber doch so wertvoll sind und es schade wäre sie
nicht zu beachten und im Herzen mitzunehmen.
Irgendwann machte ich das Fenster wieder zu, weil die Sonne
mittlerweile untergegangen war und es im Top langsam echt kalt wurde. Ohne die
Brise, die meine Haare in den Bus wehte und mein Top wedeln ließ, war es schon
gleich ein ganz anderes Gefühl und der fast schon magische Moment verschwand so
schnell wie er gekommen war. Als wäre das Fenster des Busses eine Tür zu einer
ganz anderen Welt … einer Welt in der die Gedanken und Gefühle sich frei
austoben können. Und auch wenn dieses Gefühl erst mal weg war, die Erinnerungen
bleiben in mir und ich bin dem Mädchen neben mir so unendlich dankbar für
diesen Moment am Fenster, den ich ohne sie wahrscheinlich nie gehabt hätte,
auch wenn sie sich einfach nur einen Vorteil verschaffen wollte, um näher und
schneller am Essen zu sein.
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