Mittwoch, 11. September 2019

Meine neue Heimat

Seit ziemlich genau 3 Wochen lebe ich mittlerweile schon in Ibarra und ich muss ehrlich sagen, als ich gerade "leben" geschrieben habe, war das schon ein komisches, aber gleichzeitig auch unglaublich schönes Gefühl. Ich mag es ein Land auch mal von einer anderen Seite zu sehen und nicht nur Touri zu sein. Wenn ich zur Zeit alleine durch die Straßen Ibarras (Bilder 1-3) laufe, vorbei an den kleinen tiendas am Straßenrand, an denen man auch spät abends noch schnell mal eine Milch oder ein Eis holen kann, mit wunderschönen Malereien und Sprüchen (Bild 4 und 5) und umringt von einer gigantischen Bergkette (Bilder 6-8), mache ich mir immer wieder bewusst, dass ich jetzt wirklich in Südamerika lebe und das alles eigentlich erst der Anfang ist. Da ich noch immer alles mit großen Augen bestaune und mich kaum satt sehen kann an der schönen Natur, würde ich mich noch nicht als "im Alltag angekommen" bezeichnen, aber das kommt bestimmt in den nächsten Wochen. Ich finde es faszinierend, dass ich hier, wo alle Ecuadorianer nur Routine sehen, alles bewundere und ich wünschte es würde nie aufhören, denn die kleinen Dinge des Lebens bereiten ja bekanntlich am Meisten Freude.
Ich mag Ibarra sehr und ich fühle mich hier sehr wohl. Die Stadt ist nicht zu groß, aber trotzdem ist alles wichtige in Laufnähe und ich komme zu den wichtigsten Orten sogar schon ohne Google Maps - was bei meiner Orientierung echt ein Wunder ist. Unsere WG liegt ziemlich zentral, aber doch etwas abgelegen in einer Sackgasse, was ich persönlich als einen perfekten Wohnort bezeichnen würde. Gut, ich brauche zu Fuß circa 40 Minuten auf die Arbeit, aber so ein bisschen Bewegung/Sport tut echt gut und so habe ich auch genug Zeit die Stadt zu bestaunen und meine Gedanken zu sortieren. Auch von innen gefällt mir unsere WG sehr gut. Sie ist sehr einfach eingerichtet: Es gibt kaum Betten, keinen stabilen Esstisch - eher ein wackeliges Holzbrett, keine Tür zum Bad sondern nur einen Vorhang, keine warme Dusche und auch sonst keine elektrischen Geräte wie Staubsauger, Waschmaschine, Spülmaschine etc. die in Deutschland Standard sind. Außerdem sind viele Dinge kaputt oder existieren nicht mehr, aber trotzdem mag ich unsere Wohnung unglaublich gerne und fühle mich sehr wohl. Ich würde sogar sagen, gerade weil sie so einfach eingerichtet ist, mag ich sie so gerne. Ich weiß nicht genau was es ist, aber es hat schon etwas mit einem Sack voller Wäsche durch die Straßen zur nächsten Wäscherei zu laufen.
In meinem Zimmer fühle ich mich mittlerweile auch richtig wohl. Ich hatte anfangs Probleme mich damit anzufreunden, weil es sehr klein ist und auch nur ein sehr kleines Fenster hat. Des Weiteren hatten alle anderen Zimmer etwas besonderes: Schreibtisch, Bett, Schrank und/oder eine mega Aussicht und ich hatte nichts davon. Allerdings hat sich die Freiwillige, die vorher in diesem Zimmer gewohnt hat, sehr viel Mühe bei der Gestaltung gegeben und sehr viel Zeit in das Zimmer investiert und zur Freunde meinerseits so ziemlich alles auch hier gelassen (also Sarah falls du das hier je lesen solltest: nochmal herzlichsten Dank!!!). So kommt es, dass mein Zimmer mit Lichterketten, viel selbst gebastelter Deko und Bildern geschmückt ist.
Außerdem haben wir eine Dachterrasse, von der die Aussicht einfach unbeschreiblich schön ist (Video) und auf der man sich gut sonnen und nachdenken kann. Auf unseren WG-Kater Oreo (Bild 9 und 10), hatte ich mich schon lange vor Ausreise gefreut. Ich habe ihn unglaublich gerne. Auch wenn er manchmal etwas aggressiv ist, weiß ich, dass er es eigentlich nicht böse meint, sondern nur eine Schmuseeinheit braucht - das sehen meine Mitbewohner eventuell etwas anders und schmieden jetzt schon Pläne wie sie ihn wieder loswerden können...
Ja alles in allem fühle ich mich unglaublich wohl in unserer WG und ich habe sogar schon dieses "nach Hause kommen"- Gefühl, wenn ich von einem anstrengenden Arbeitstag völlig geschafft auf meine Matratze falle und es sich tatsächlich wie zuhause anfühlt - wie ein zweites Zuhause natürlich ;)












So, aber was habe ich in den letzten drei Wochen jetzt eigentlich wirklich gemacht, außer die Berge zu beobachten und einen Kater zu streicheln? Am Tag nach unserer Ankunft in Ibarra, ging es direkt zu unserer Arbeitstelle für das kommende Jahr. Dort wurden wir erst einmal eingewiesen und besuchten alle drei Kinderheime, die zur Fundación gehören (mehr zu meiner Arbeit kommt in einem separaten Post, wenn das erste Chaos überwunden ist, ich richtig eingearbeitet und mit den Abläufen vertraut bin und meine Gedanken zur Arbeit strukturiert habe). Die nächsten Tage (und Wochen) beschäftigten wir uns viel mit der Wohnungsübergabe, klärten was alles wo zu bezahlen ist, reparierten Sachen, suchten einen günstigeren Internet-Vertrag und lernten in einer Wohnung mit Gasherd ohne Gas auszukommen, denn die Gasflasche war schon direkt am ersten Tag leer und die Gasautos meinten natürlich genau dann streiken zu müssen. Außerdem liefen wir viel durch Ibarra um uns mit den wichtigsten Läden und Geschäften vertraut zu machen. Danach stellten wir uns bei der Sprachschule vor, machten dort einen Einstufungstest und am Freitag gab es in der Sprachschule eine Probestunde Salsa bei einem Kubaner. Danach gingen wir mit den Leitern der Sprachschule (was witzigerweise ein halb Italiener halb Japaner und eine indígena ist), dem Salsatrainer und seiner Frau sowie ein paar Japanern und Ecuadorianern essen und knüpften dort auch schon die ersten Kontakte zu Einheimischen. Das ist auch eine Sache, die mich hier fasziniert und die ich unglaublich toll finde: die Offenheit und Hilfsbereitschaft der Ecuadorianer. Schon nach wenigen Wochen haben wir unglaublich viele Leute kennen gelernt, die uns alle ihre Hilfe angeboten haben und mit uns Ausflüge machen wollen. Am Wochenende machten wir dann unsere ersten Ausflüge (mehr dazu auch in einem baldigen separaten Post) und am Montag darauf ging auch schon die Arbeit los. Das heißt, dass unter der Woche neben der Arbeit nicht mehr viel passiert ist, weil wir dann nach gegenseitigen Berichten vom Tag einfach nur noch müde ins Bett gefallen sind. In der selben Woche bekam ich dann auch schon gleich meine erste Erkältung, die aber mit ein bisschen Pflege und ordentlich Klopapier im Gepäck (als Taschentuchersatz) nach ein paar Tage auch schon wieder abklang. Am Wochenende darauf kamen uns dann unsere Mitfreiwilligen aus Quito besuchen und wir zeigten ihnen unsere Stadt, unsere Arbeitsstelle, machten einen Ausflug und feierten auch schon die ersten zwei Geburtstage. Eine Tradition ist es hier, dass das Gesicht des Geburtstagskindes in die Torte getaucht wird - diese Tradition konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen und so hatten wir für unsere zwei Ehrengäste auch zwei kleine Torten besorgt. Alles in allem war es ein schöner Abend bei dem mir sogar schon die ersten traditionellen ecuadorianischen Tänze beigebracht wurden, was mich sehr gefreut hat.

Sonntag, 1. September 2019

Wochenende in Quito

Am Tag nach unserer Ankunft in Quito, sind wir zusammen ins centro histórico (Altstadt) gefahren - zumindest wollten wir das. Da wir uns aber noch überhaupt nicht in der Hauptstadt auskannten und es, wie bereits erwähnt, keine Buspläne gibt, kauften wir erst mal Bustickets für die falsche Richtung. Nach ein paar mal nachfragen, fanden wir aber schließlich den richtigen Bus und nach circa einer Stunde Fahrt waren wir auch schon am Ziel angekommen und bestaunten die Altstadt und auch Aufführungen von traditionellen Tänzen (Bild 5) schauten wir uns an. Nach kurzer Suche fanden wir auch die berühmte Straße La Ronda (Bild 1). Anschließend waren wir noch in der katholischen Kirche Iglesia de la Compañía de Jesús - oder wie ich sie gerne nenne: Iglesia de oro, weil sie nur aus Gold besteht, was echt richtig beeindruckend war. Danach sind wir dann mit dem Taxi zurück zur WG gefahren und da wir zu fünft waren mussten wir zu viert auf die Rückbank, was hier keine Seltenheit ist. Trotzdem sollte sich immer eine von uns ducken, wenn die Polizei vorbeikam.






Am Samstag machten wir dann schon unseren ersten größeren Ausflug zum TelefériQo (von teleférico und Quito). Nach 1,5 Stunden Wanderung bergauf durch die pure Hitze, mit hoher Luftfeuchtigkeit und extrem vielen Abgasen des Verkehrs neben uns, kamen wir dann völlig erschöpft auf 3100m bei der Talstation der Luftseilbahn an. Was mich hier fasziniert ist, dass das Laufen, auch nur weniger Schritte bergauf, unglaublich anstrengend ist, aber nicht wegen der Hitze, sondern wegen der hohen Luftfeuchtigkeit und vor allem auch wegen der Höhe. Der Ausblick aus der Gondel war unglaublich schön (Bild 10) und als wir dann auf 4000m auf der Ostseite des Vulkans Pichincha (Bild 7) ankamen, war keinem von uns mehr warm. Sofort wurden die mitgebrachten Jacken angezogen, denn bei circa 13℃ kann einem im T-Shirt schon mal kalt werden. Nach kurzem Staunen über die mega schöne Aussicht vom Cruz Loma (Bild 6), liefen wir noch ein Stück höher auf 4100m, was für den 2. Tag schon eine ordentliche Höhe ist - soviel zu: wir fangen langsam an. Mit der Höhe hatte ich aber erstaunlicherweise kaum Probleme. Das einzige was echt nervig war, ist das meine Nase andauernd stark gelaufen ist und es echt verdammt kalt war! Aber es hat sich definitiv gelohnt, den der Ausblick von dort kann eigentlich nicht in Bilder gefasst werden - man muss es einfach selbst gesehen haben. Während die anderen noch ein Stück höher liefen, fanden eine Mitfreiwillige und ich gefallen an einer Schaukel (Bild 11), von der die Aussicht einfach noch beeindruckender war. Mit Empanadas de queso gestärkt, traten wir dann, bei leichtem Hagel, den Rückweg an. Nach ewigem Schlange stehen, ging es mit der Gondel wieder bergab.







Am Sonntag ging ich zuerst mit zwei Freiwilligen aus Quito in eine katholische Kirche, was sehr interessant war. Der Gottesdienst war sehr ähnlich zu deutschen Gottesdiensten, nur das es beispielsweise keine Orgel sondern eine kleine Band gab und man beim Abendmahl die Oblate direkt in den Mund bekommen hat. Später sind wir dann mit dem Bus zur Mitad del mundo (Mitte der Welt) gefahren. Das ist ein Äquatormonument in San Antonio de Pichincha, das laut Charles Marie de La Condamine die genaue Position des Äquators bestimmen soll - tut es jedoch nicht, denn später fand man mithilfe von GPS heraus, dass dieser Punkt etwa 240m nördlich des Monuments liegt. Eine Touristenattraktion ist es trotz alledem geblieben. Aber in der Ciudad Mitad del mundo gibt es außer diesen Monolithen (Bild 12), der das Zentrum der Parkanalage bildet, noch viel mehr zu sehen. Sogar so viel, dass wir das alles gar nicht schafften. Wir schauten uns nach dem Monument noch Lamas (Bild 13) an und besichtigten eine Pyramide, von der die Aussicht mal wieder beeindruckend war (Bild 14). Generell war die Ciudad von einer Bergkette umringt, was echt toll wirkte. Nachdem wir ein paar Souvenirs in einem kleinen Laden kauften ging es weiter in das Kakao Gebäude, in dem die Geschichte, Herkunft und Verarbeitung anhand von Tafeln erklärt wurde. Am Ende durften wir sogar eine Kakaobohne probieren. Danach ging es weiter ins Planetarium. Nach ewigem Anstehen wurde im Gebäude erst einmal ein Film gezeigt und anschließend gab es für jeden eine 3D Brille und Kopfhörer und es wurde zu jedem Planeten etwas erzählt. Danach besuchten wir noch einige Häuser über die Geschichte Ecuadors und die geophysischen Entdeckungen der Franzosen dort, bis wir uns dann wieder auf dem Rückweg machten. Interessant war auch, dass es überall Schilder gab, die anzeigten wie weit es von dort zu verschiedenen Ländern und Städten der Erde ist.





Am Montag besichtigten wir mit den Freiwilligen aus Quito deren zukünftige Arbeitsstelle (Mehr unter Fundación Campamento Cristiano Esperanza) und während diese eine Einführung bekamen, wurden wir direkt mit eingebunden und halfen die Kinder einzucremen und deren Tastsinne zu stimulieren. Nach einer kurzen Führung durch die Anlage verabschiedeten wir uns von allen und dann ging es endlich los in die Stadt, in der wir für das nächste Jahr leben werden: Ibarra.